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Kampfstaffel „Max Hoelz“

 

Es gibt Momente im Leben eines Historikers, da wird ihm auf einen Schlag bewusst, wofür er alles gemacht hat. Als das AIB einen Leserbrief an mich weitergeleitet hatte, war so ein Moment. Mein Artikel über den Wechsel zwischen „Rotfront“ und SA hatte einen Tischler, der in den 70er Jahren als Junghandwerker tätig war, an seinen damaligen Altgesellen erinnert. Dieser war in der Weimarer Republik aktiver Kommunist und während des NS-Regimes jahrelang im Zuchthaus gewesen. Ihm machte der Seitenwechsel eines ehemaligen Genossen noch nach Jahrzehnten psychisch zu schaffen.

 

Ein ähnlicher Moment ereignete sich, als mich mein Weg mal wieder ins Bundesarchiv führte. In der Bibliothek an der Anmeldung sagte mir die Mitarbeiterin, dass ein Angestellter des Bundesarchivs Bescheid haben wollte, wenn ich da bin und sie fragte mich, ob sie ihn anrufen dürfe, was ich selbstverständlich bejahte. Bald kam ein freundlicher Herr an meinen Platz und sagte, dass er meine Arbeiten über den antifaschistischen Widerstand in Prenzlauer Berg kenne und er könnte mir etwas über seinen Vater berichten. Nach einer längeren guten Unterhaltung vereinbarten wir, dass er mir Materialen zukommen lässt. Auf der Grundlage dieser Materialien beruht der folgende Beitrag:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Foto sind Berliner Jungkommunisten auf der Mai-Demonstration des Jahres 1930 auf dem Helmholtzplatz (im Volksmund "Roter Platz"), Schliemann/Ecke Raumer Straße, in Prenzlauer Berg zu sehen. Sie tragen das Modell eines sowjetischen Traktors, den sie im Parteilokal „Beutel“ der örtlichen KPD-Zelle in der Christburger Straße 24 gebastelt hatten. Ganz links im Bild befindet sich der Vater des Bundesarchiv-Mitarbeiters Werner Kleinert (20.03.1912–23.10.1993).

Werner Kleinert besuchte von 1926 bis 1929 die Städtische Berufsschule für Jünglinge in Berlin Borsigwalde, Berufsgruppe für Metallarbeiter. Danach war er arbeitslos und musste jahrelang „stempeln gehen“, wie es früher hieß. Kleinert, der mit seinen Eltern ganz in der Nähe (Danziger Straße) wohnte, kam aus einer politischen Familie. Auch sein Vater, von Beruf Bierkutscher für eine Brauerei, war Kommunist gewesen. Sein Bruder, der Mechaniker Wolfgang Kleinert saß 1936 in Haft, weil er zusammen mit dem Rohrleger Alfred Wegener einen Kranz mit Roter Schleife am Grabe eines ehemaligen Sportkameraden des Arbeitersportvereins „Fichte“ niedergelegt hatte.

Ein interessantes Detail auf dem Foto ist die dunkle Antifa-Uniform, die Werner Kleinert an hat. Er berichtete später, dass er „Politischer Leiter“ der Kampfstaffel „Max Hoelz“ gewesen wäre, diese aber später zu DDR-Zeiten nie als offizielle Organisation anerkannt worden war. Tatsächlich ist zu bezweifeln, dass er schon mit 18 Jahren Politischer Leiter einer Kampfstaffel des Kampfbundes gegen den Faschismus gewesen ist.

 

In meiner Doktorarbeit schreibe ich auf Seite 116:

„Neben den großen Verbänden, die nach dem Verbot des RFB gegründet wurden, entstanden auch zahlreiche kleinere Gruppen, die den Kampf mit den Faschisten aufnahmen. So existierten auf lokaler Ebene in den Bezirken selbstständige ‚Rote Überfallkommandos‘, die sich tätliche Auseinandersetzungen mit der SA lieferten, deren Mitglieder teilweise in kommunistischen Organisationen organisiert waren, aber nur lose mit der KPD in Kontakt standen und eigenen Regeln und Dynamiken folgten. Zu dieser Entwicklung hatte die KPD selbst beigetragen, indem sie auch bis dahin unpolitische Jugendbanden und ‚wilde Cliquen‘ politisiert hatte. Die neuen Gruppengründungen ergaben ein fast unkontrollierbares Geflecht sowohl für die Polizei als auch für die KPD selber. Ein parteiinterner Bericht der KPD musste feststellen, dass Ende 1930 ‚Hunderte von ‚wilden‘ proletarischen Wehrorganisationen (...), von deren Existenz wir erst nach und nach Kenntnis bekommen‘, existierten.“

 

Es ist anzunehmen, dass es sich bei dieser Kampfstaffel um eine solche halboffizielle Gruppierung gehandelt hat, die aus Eigeninitiative von Jugendlichen, die in der Umgegend wohnten, entstand. Ein ähnliches Beispiel ist mir erst neulich untergekommen, als ich mich nochmals mit dem Nostitzkiez näher beschäftigt hatte. Dort bildeten – neben einer sehr aktiven KJI-Gruppe und einer äußerst schlagkräftigen Roten Jungfront – mehrere Arbeiterjugendliche eine eigenständige Gruppe, um den Kiez von Nazis „sauber zu halten“, deren Anführer „Teddy“ (wohl nach Ernst Thälmann) genannt wurde, um nur noch ein weiteres Bespiel zu nennen.

Kleinert berichtete, dass er zum Demonstrationsschutz der KPD gehört hatte und gelegentlich in Schlägereien verwickelt gewesen war. In diesem Zusammenhang erzählte er auch vom Einsatz einer „Stahlrute im Taschenformat“, die auf Knopfdruck ausfuhr. Diese Auseinandersetzungen beschränkten sich nicht nur auf Nazis, sondern richteten sich zuweilen auch gegen Sozialdemokraten.

Das Bild enthält ein weiteres wichtiges Detail: Laut Kleinerts Aussage muss sich auf dem Bild auch der ermordete Genosse Erich Loleid befinden, auch wenn nicht mehr genau gesagt werden kann, wer es ist. Über ihn ist in einer Flugschrift der Roten Hilfe zu lesen:

 

„Erich Loleid, Berlin, ermordet am 7. 9. 1930 durch  N a z i  im Wahlkampf. Eine Gruppe Berliner Kommunisten, darunter der Genosse Erich Loleid, fuhren nach Mohrin (Neumark) zur Flugblattverbreitung. Loleid bot auch dem Naziführer Herbert Kabriell ein Flugblatt an und wurde von ihm sofort angepöbelt. Nach einem kurzen Wortwechsel zog der Bandit einen Dolch und stach, wie sogar das ‚Berliner Tageblatt‘ meldet, ohne ersichtlichen Grund auf Loleid ein. Der feige Mordbube durchstach ihm die Schlagader und brachte ihm eine etwa 15 cm tiefe Stichwunde bei. Der Dolch drang bis in die Lunge und zerriß ihm das Gewebe. Binnen einer Stunde verstarb Loleid an Verblutung.“

Faschismus, der organisierte Arbeitermord. Kampfschrift der RHD – den toten Klassenkämpfern des Jahres 1930 gewidmet, verantwortl. Wilhelm Pieck, Berlin 1931, S. 15   

 

 

Wie Walter Ulbricht tatsächlich die Bühne verließ

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am 19. September 1969 behauptete die linksliberale Wochenzeitung DIE ZEIT, das Bild würde Walter Ulbricht auf einer Kundgebung anlässlich des von KPD und NSDAP gleichermaßen betriebenen Volksbegehrens gegen die sozialdemokratische Regierung in Preußen zeigen. DIE ZEIT nahm Bezug auf das Neue Deutschland, welches dieses Bild am 30. August 1969 abgedruckt hatte, und unterstellte dem ND, es würde seine Leser mit einer unpassenden Bildunterschrift desinformieren und zudem unterschlagen, dass links im Vordergrund der Berliner NSDAP-Gauleiter Joseph Goebbels sitzen würde.[1] Aufgrund einer Leserzuschrift sah sich DIE ZEIT am 3. Oktober 1969 genötigt einzuräumen, dass man sich geirrt hätte und stellte „aus Gründen der historischen Wahrheit und der Fairness“ klar, dass sich Ulbricht und Goebbels zwar auf demselben Podium befunden hatten, Ersterer gegen Letzteren aber agitiert hatte. Insofern hätte das ND mit der Bildunterschrift: „1931: Zwei Jahre vor dem Machtantritt des Faschismus prangert Walter Ulbricht im Saalbau Friedrichshain die Nazipartei als Kriegspartei des Faschismus an.“ recht gehabt.[2]

Bei diesem Event hatte es sich um eine kontroverse Diskussionsveranstaltung gehandelt, die von den Nazis am 22. Januar 1931 im „Saalbau Friedrichshain“ – seinerzeit einer der größten Versammlungssäle Berlins – einberufen worden war und auf der Ulbricht, damals Leiter der Berliner KPD, eine gewisse Redezeit zugebilligt wurde. Während sich Ulbricht trotz seiner Fistelstimme verhältnismäßig gut durchsetzen konnte und so seinen Redebeitrag voll durchbrachte, wurde Goebbels durch einen Höllenlärm das Halten einer Rede unmöglich gemacht. Schließlich gipfelte die Veranstaltung in einer gigantischen Saalschlacht, der schwersten im Berlin der Weimarer Zeit.

Nach einem Exkurs über die tatsächlich durchaus zu kritisierende Strategie der KPD in der Endphase der Weimarer Republik glaubte DIE ZEIT dann aber die damalige Aussage des KPD-Zentralorgans Die Rote Fahne vom 24. Januar 1931, Goebbels sei nach Beginn der Saalschlacht unter dem Schutz der sozialdemokratischen Polizei zu seinem luxuriösen Mercedes-Benz getürmt, während Ulbricht gemeinsam mit den Arbeitern den Saal verlassen hatte[3], ins Lächerliche ziehen zu müssen; Zitat: „Wie sich ein ZEIT-Leser zu erinnern glaubt – durch das Fenster.“[4] Über Goebbels‘ Abgang scheint damals Einigkeit geherrscht zu haben, da auch die bürgerliche Presse Ähnliches berichtete. Über Ulbricht schrieb das NSDAP-Parteiorgan Der Angriff in ähnlichem Stil wie DIE ZEIT: „Der kommunistische Diskussionsredner Ulbricht aber hatte sich seinen Mantelkragen hochgeschlagen, die Arme über den Kopf verschränkt und rief dauernd: Nicht schlagen, ich bin Abgeordneter!“[5]

Wie war es nun wirklich? Hier könnte die Aussage eines Polizeibeobachters, der bei der Saalschlacht anwesend war und dem Reichsministerium des Innern Bericht erstattete, weiterhelfen. Da sich Kommunisten und Sozialdemokraten nirgendwo sonst so bekämpften wie in Berlin, ist die Aussage eines von den Kommunisten seit dem „Blutmai“ 1929 als „Zörgiebel-Kosake“ Verschrienen der Parteinahme für die Kommunisten wohl unverdächtig. Trotzdem berichtete er: „Man wollte nun anscheinend Ulbricht als Geisel auf der Bühne behalten, man fuchtelte ihm mit den Händen unter der Nase herum. Ulbricht ging aber herunter und wurde von seinen Leuten stürmisch begrüsst.“[6] Zu dieser Aussage würde passen, was Bernhard Dyvel, damals Mitglied des Roten Frontkämpferbundes und Personenschützer Ernst Thälmanns, zu berichten wusste: „Wir hatten gleich ausgemacht, wenn Walter Ulbricht sprechen sollte – und die Nazis haben ihm ja nach seinem Leben getrachtet, wollten ihm jedenfalls Schaden zufügen – dann sollte er gleich unter die Genossen springen – die Bühne war ja über einen Meter hoch – die dort den Schutz von Walter Ulbricht übernommen hatten, achtzig bis hundert Genossen von Mitte, das weiß ich heute noch, vom RFB Mitte.“ Als er dann „von hinten einen Schlag auf die Schulter“ bekam, „sprang Walter Ulbricht unter die RFB-Genossen und war damit in Sicherheit.“, so jedenfalls Dyvel.[7] Nun könnte man einwenden, dass die Aussage eines ehemaligen kommunistischen Personenschützers nicht als objektive Quelle durchgehen kann. Sie könnte aber tatsächlich wesentlich näher an der Wahrheit sein als die Quelle der ZEIT, denn auch das ebenfalls linksliberale Berliner Tageblatt berichtete seinerzeit: „Eine Eskorte von Kommunisten holte Ulbricht von der Bühne und brachte ihn durch die nationalsozialistische Linie.“[8]

 

[1] „Der unterschlagene Goebbels“, in: Die Zeit Nr. 38 vom 19.9.1969.

[2] „Was geschah in Friedrichshain?“, in: Die Zeit Nr. 40 vom 3.10.1969.

[3] Vgl. „Der Friedrichshain war der Auftakt“, in: Die Rote Fahne Nr. 20 vom 24.1.1931.

[4] „Was geschah in Friedrichshain?“, in: Die Zeit Nr. 40 vom 3.10.1969.

[5] „Wir sind betrogen“, in: Der Angriff Nr. 20 vom 24.1.1931.

[6] Bundesarchiv Berlin, R 1501 Reichsministerium des Innern, Nr. 46 Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten sowie Sozialdemokraten in verschiedenen Teilen Deutschlands, Bd. 3a Bericht über eine öffentliche Versammlung der NSDAP am 22.1.1931 im Saalbau Friedrichshain - Teilnahme von Walter Ulbricht, fol. 158.

[7] Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, BY 9 Geschichtswerkstatt der B.V. VdN, Nr. PB/100 Dyvel, Bernhard, Bl. 26f.

[8] „Die Saal-Schlacht“, in: Berliner Tageblatt Nr. 39 vom 23.1.1931.

 

 

erweitertes Nachwort zur Dissertation von Dr. Karsten Heinz Schönbach

 

Als Teilnehmer des Doktorandenkolloquiums von Prof. Dr. Wolfgang Wippermann an der Freien Universität Berlin habe ich die Endphase der Entstehung der Doktorarbeit von Dr. Karsten Heinz Schönbach miterlebt. Wir beide haben den Doktortitel zu einem entscheidenden Anteil der Person des Doktorvaters Prof. Dr. Wippermann zu verdanken. Ohne dessen Engagement hätte Schönbachs Promotionsvorhaben bei der Institutsleitung nicht durchgesetzt werden können. Ich fühle mich an meinen wissenschaftlichen Werdegang erinnert, in dem mir von der etablierten Forschung ähnliche Schwierigkeiten bereitet worden sind. Doch Schönbach hat sich – so wie ich – nie entmutigen lassen und das Resultat seiner jahrelangen akribischen Forschungsarbeit kann sich wahrlich sehen lassen.

An der fachlichen Qualität seiner Arbeit kann der Widerstand jedenfalls nicht gelegen haben, sondern muss andere Gründe gehabt haben. Diese sind darin zu suchen, dass die wissenschaftliche Forschung immer politischen Interessen dient und somit in bestimmten Fällen – wie im vorliegenden aber auch meinem Fall – zum Politikum wird. Bei Schönbach liegt es daran, dass er die konservativ geprägte Geschichtsschreibung, die die Verteidigungsargumentation der Industriellenanwälte vor dem Nürnberger Militärgericht zum Forschungsstand erhoben hat, erschüttert. Er tut dies durch eine fachlich einwandfreie und methodisch saubere Arbeit – das Prädikat magna cum laude spricht für sich –, die sich auf eine beindruckende Quellenbasis stützt und das Zeug zu einem Standardwerk hat. Dem Vorwurf, Schönbach selbst hätte bestimmten politischen Interessen gedient, kann damit begegnet werden, dass er seine Forschungen 2001 aus Eigeninitiative begonnen und jahrelang ohne irgendeine Förderung betrieben sowie finanziert und selbst die Rosa Luxemburg Stiftung mehrfach eine Förderung seiner Arbeit abgelehnt hat.

Schönbach wertete innerhalb von acht Jahren (20005-2012) die Archive von nicht weniger als zwölf Industrie-Konzernen, sieben Banken und sechs Industrieverbänden aus; gar nicht zu reden von den zahlreichen gedruckten Quellen und der Fachliteratur – kurzum, meines Wissens nach, die umfangreichste Quellensammlung, die jemals zu diesem Thema erstellt wurde. Bei seiner Untersuchung, die sich als Fortsetzung der kritischen Historiografie versteht, wandte er im Wesentlichen eine Kombination der zwei Methoden der konsequenten Quellenkritik und des Positivismus an. Er berücksichtigt einerseits konsequent von wem und aus welchem Kontext die verwendeten Quellen stammen und mit welcher Intuition sie verfasst wurden, zieht aber andererseits für die Entwicklung und Begründung seiner Thesen fast nur Aussagen – teilweise ausführlich zitiert – aus Originalquellen heran. Hinzu kommt ein erfrischender Schreibstil, bei dem schon mal die eine oder andere Aussage mit Witz und Polemik pointiert wird.

Diese Arbeit kommt wie gerufen in einer Zeit in der die gesellschaftlichen Spannungen zunehmen und eine revisionistische Richtung in der Forschung an Boden gewinnt, in der immer mehr Hobbyhistoriker, selbsternannte Pseudowissenschaftler oder gar Verschwörungstheoretiker den Ton angeben. Als evident geltende Fakten werden von ihnen in Frage gestellt oder zumindest relativiert, um so die Deutungshoheit über eine ganz entscheidende Etappe der jüngsten deutschen Geschichte zu erlangen. Diesem Trend stellt sich Schönbachs aber auch meine Doktorarbeit entgegen. Ich habe jüngst bewiesen, dass die Nationalsozialisten ihren „Kampf um die Macht“ primär gegen die deutsche Unterschicht – hier v.a. die organisierte Arbeiterbewegung – geführt, aber auf dieser Ebene nicht gewonnen haben. Schönbach beweist nun, dass die Nationalsozialisten in entscheidendem Maße von den Oberschichten – und hier besonders der deutschen Kapitalelite – gefördert wurden und ohne diese massive Förderung ihr Aufstieg nicht denkbar und möglich gewesen wäre. Erst durch ein Bündnis von alten Eliten mit Nazis konnte die revolutionäre Arbeiterbewegung besiegt werden.

Hitler bot sich schon früh den Oberschichten, denen es an Verankerung in der Bevölkerung mangelte, als Bezwinger der Arbeiterbewegung an, indem er seinen kleinbürgerlichen Massenanhang als Faustpfand einbrachte. Und die Großindustriellen sprachen durchaus darauf an. Kurz zusammengefasst können Schönbachs Forschungsergebnisse die Finanzierung der NSDAP bis 1933 betreffend wie folgt wiedergegeben werden: Die NSDAP wurde auf breiter Basis vonseiten der deutschen Großindustrie finanziert. Diese Finanzierung erfolgte auf verschiedenen Ebenen. Es wurden sowohl Unterorganisationen und Einzelpersönlichkeiten der NS-Elite als auch die Partei als Ganzes finanziert. Darüber hinaus umfasste diese Finanzierung sowohl einzelne Propagandaschriften der NSDAP als auch in mehreren Fällen ganze Wahlfeldzüge. Der Gesamtumfang dürfte dabei etwa ein Drittel des Gesamtbudgets der NSDAP umfasst haben. Der bedeutendste Träger dieser Unterstützung der NSDAP in der Großindustrie war der „Verein für die bergbaulichen Interessen“, dem fast die gesamte Ruhrindustrie angehörte, und welcher – entgegen früheren Forschungen – den umfangreichsten politischen Fonds unterhielt und durchaus als NSDAP-nah angesehen werden kann. Übrigens, die KPD war demgegenüber die einzige der Weimarer Parteien die keinerlei Gelder von den deutschen Kapitalisten bekam.

Die Zeit nach 1933 betreffend wird der neuerdings verstärkt kolportierten Legende etwas entgegengesetzt, die Nazis träfe nicht die Hauptschuld am Zweiten Weltkrieg oder ihnen wäre ein Krieg sogar aufgezwungen worden. Vielmehr wird anhand von ergiebigem Quellenmaterial belegt, dass die deutschen Großkonzerne selbst in der Phase der relativen Stabilität (1924-1929) rote Zahlen schrieben. Nur der Wiedereinstieg in die Rüstung versprach ihnen optimale Profite. Dies war ein weiterer Hauptgrund warum sie auf die faschistische Partei setzten, die als zentralem Teil ihres Programms Wiederaufrüstung versprach. Bewiesen wird ferner, dass das Konzept vom „Volk ohne Raum“ nicht nur von der NSDAP sondern auch von führenden deutschen Industriellen schon ab Anfang der 1920er Jahre verfolgt wurde. Dieser Raum wurde im Osten gesehen, der durch einen Angriffs-, Raub- und Vernichtungskrieg unterworfen werden sollte. Die dem „germanischen Herrenvolk“ gegenüber als minderwertig angesehene slawische Bevölkerung sollte dezimiert und der Rest als „Helotenvolk“ ausgebeutet werden. Deutsche Banken und Großkonzerne befriedigten ihre Begehrlichkeiten an den eroberten Betrieben, Rohstoffen, fruchtbaren Böden und künftigen Absatzmärkten, wobei es auch schon einmal zu Verteilungskämpfen kommen konnte. In solchen Fällen schritt das NS-Regime durchaus ein, ansonsten ließ es ihnen – auf ihre fachliche Expertise bei der optimalen Verwaltung und Verwertung dieser Ressourcen vertrauend – weitestgehend freie Hand.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Schönbach zeigt wie schon lange nicht mehr den unmittelbaren Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus auf. NS-Führungselite sowie die deutsche Kapitalelite zogen bei der Durchsetzung ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen meist an einem Strang. Die Dimitrow-These gewinnt wieder an Plausibilität und damit an Gewicht.

 

Wie prophezeiten doch die Weimarer Kommunisten einst 1932: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“